Ein Mauer beim Pausenvesper. Den Kopf mit einem Hut aus Zeitungspapier vor der sengenden Mittagshitze geschützt. Voller Lust beißt er in ein Brötchen, aus dem die Mortadellascheiben förmlich herausquellen. So beschreibt der Gastrojournalist Davide Paolini in seinem Food Blog Gastronauta was er die verblichene, im Schwarz-Weiß-Fotoalbum abgelegte Erinnerung an die Mortadella nennt. Diese rosafarbene Wurst mit teilweise enormem Durchmesser, die in Italien lange Zeit mit einem bodenständigen Handwerkervesper assoziiert worden sei. Eine Assoziation, die, so Paolini, so nicht mehr zeitgemäß sei. Die Mortadella habe den sozialen Aufstieg geschafft und sei in der Region der gehobenen Gerichte angekommen, so Paolinis Bewertung der Mortadella di Bologna. So lautet die vollständig, korrekte Bezeichnung der Wurst, die aus mit Fettwürfeln gespickter, feiner Schweinefleischpaste hergestellt wird. Für die Mortadella di Bologna gelten strenge Regeln was Produktion und Zutaten betrifft. Das Gütesiegel IGP, die idicazione geografica protetta, die geschützte geographische Angabe, garantiert dem Verbraucher, dass die Mortadella auch tatsächlich eine Mortadella di Bologna ist.
Die Mortadella kommt flexibel daher. Nicht nur was den Durchmesser angeht, der von handlicher Größe bis hin zu Ausmaßen reicht, die eine gewisse Muskelkraft erfordern, um die Mortadella auf die Schneidemaschine zu wuchten. Auch die Kombination der Mortadella mit anderen Lebensmitteln, zu durchaus außergewöhnlichen Gerichten, zeugt von der Vielseitigkeit der rosafarbenen Wurst. Der Küchenchef Fulvio Pierangelini beispielsweise hat mit seiner „Capasanta alla Mortadella“, einer mit Mortadella gefüllten Jakobsmuschel, einen Gaumenschmaus geschaffen, der im ersten Eindruck eher ungewöhnlich erscheint. Dann sind da noch die flüssigen Begleiter, die die Mortadella zu unterschiedlichen Geschmackserlebnissen werden lassen. Was im Falle des Eingangs erwähnten Handwerkervespers der von zu Hause mitgebrachte, einfache Landwein war, könne heute ein handwerklich hergestelltes Bier einer Kleinbrauerei oder die feinen Perlen eines edlen Schaumweins oder Champagners sein, führt Davide Paolini als Beweis dafür an, dass die Mortadella den sozialen Aufstieg geschafft hat.
Schenkt man den bologneser Mortadella-Experten Glaube, muss die Mortadella so hauchdünn geschnitten sein, dass sich die Hügel von San Luca noch durch die Wurstscheibe hindurch erkennen lassen. Für diese Verfechter der hauchdünnen Mortadellascheiben grenze die in Würfel geschnittene Mortadella schon fast an Ketzerei und ist bestenfalls als Sattmacher zum Aperitif mit Schaumweinen minderer Qualität in preisgünstigen Bars angebracht sei, schreibt Davide Paolini. Auch wenn es durchaus edle Rezepte mit Mortadellawürfeln gibt. So beispielsweise eine Zitronenrisotto mit Steinpilzen und Mortadellawürfeln. In die echte Mortadella di Bologna darf nur Schweinefleisch, das in mehreren Arbeitsschritten zu einer feinen Paste verarbeitet wird. Dieser Fleischpaste werden Fettwürfel untergemischt, die nur aus dem Schweinehals entnommen werden. Dort wo sich das härteste und hochwertigste Fettgewebe des Schweins befindet. Bevor die Mortadella in speziellen Heißluftöfen gekocht, und anschließend schnell abgekühlt wird, muss die Fleischpaste in Natur- oder Kunstdarm gepresst werden. Dabei erhält sie ihre zylindrische Form. Optimaler Weise hat die Mortadella di Bologna eine kompakte Konsistenz und beim Anschnitt eine einheitliche rosa Farbe, in der die weißen Fettwürfel einen farblichen Kontrast bilden. Zwischen 15% und 18% Prozent darf der Anteil der Fettwürfel in der Mortadella betragen.
Seit 2001 gibt es die Genossenschaft Mortadella Bologna, die sich, in Zusammenarbeit mit dem Landwirtschaftsministerium, den Schutz und die Aufwertung der Mortadella Bologna IGP auf die Fahnen geschrieben hat. Dazu zählt auch der Schutz vor Imitationen und Fälschungen der originalen Mortadella di Bologna. Mortadella mit dem IGP Gütesiegel steht für kontrollierte Qualität und Produktionsmethoden. Dass die Mortadella eine Wurst mit Tradition ist, beweisen Überlieferungen aus der Renaissance. Als Erfinder der Mortadella gilt Cristoforo di Messisburgo, ein Diener des Kardinals Ippolito d’Este.