Scharf, fett, je älter desto besser: Die Nduja hat es in sich. 70% bestes, recht fettes Schweinefleisch sorgen dafür, dass die kalabresische Salamispezialität streichweich bleibt. 30% Paprika bringen die nötige Schärfe auf den Teller; ein Räucherfeuer aus Oliven- und Eichenholz sowie der salzige Wind, der aus Richtung Stromboli in das offene Fenster der Räucherkammer weht, das gewisse Extra an Geschmack. Ein mehrjähriger Reifungsprozess lässt den Edelschimmel wachsen.
Die echte, originale Nduja ist in Spilinga zu Hause. Einer rund 1400 Einwohner Gemeinde im Südwesten Kalabriens, an den Hängen des Monte Poro gelegen. Dort haben Giuseppe Porcelli und sein Bruder den landwirtschaftlichen Familienbetrieb übernommen. Seit vier Jahren produzieren die beiden Endzwanziger nicht nur verschiedene Rauchfleisch- und Salamiarten, sondern auch die kalabresische Spezialität Nduja. Eine Streichsalami, die auf Grund ihres hohen Fettgehalts immer weich bleibt, wie Giuseppe Porcelli erklärt. In Kalabrien wird die Nduja aufs Brot gestrichen wie anderorts die Mettwurst oder sie wird zum Verfeinern von Pastasaucen verwendet. Beispielsweise für das kalabresische Traditionsgericht Fileja alla Nduja: Kurze Nudeln mit einer feurig-scharfen Sauce. Dass die Nduja ausgerechnet in Spilinga beheimatet ist, ginge vermutlich auf Joachim Murat, Vizekönig von Neapel und Schwager Napoleons zurück, erklärt Giuseppe Porcelli. Murat habe die französische Andouille, eine ausschließlich aus Innereine hergestellte Wurst, unter den Untertanten verteilen lassen, um sich diese wohl zu sinnen. Die französischen Herrscher sind längst abgezogen aus Spilinga. Geblieben ist eine Weiterentwicklung der Andouille, die Nduja eben. Allerdings kommen und kamen da noch nie Innereien rein, wie Giuseppe Porcelli entschieden betont.
„Was an Fleisch in die Nduja kommt, sind die ungleichen Randstücke, die abgeschnitten werden müssen, damit Speck und Bauchspeck zu jeweils rechteckigen Lardo und Pancettastücken verarbeitet werden können“, erklärt Porcelli und verrät außerdem, dass der Fleisch- und Fettanteil in der Nduja 70 % ausmachen. Dazu kommen 30% zu Pulver gemahlene scharfe Peperoncini, die die auf der Hochebene von Poro angebaut werden. Abgeschmeckt wird das Ganze mit Salz. Viel mehr wird nicht verraten. Betriebsgeheimnis. Nur, dass die Schwarzen Schweine aus Kalabrien, die auch Giuseppe Porcelli und sein Bruder für ihre Wurstproduktion halten, sich besonders gut in der Nduja machen. „Im Unterschied zu anderen Rassen, sind die Schwarzen Schweine aus Kalabrien reich an Omega-3-Säuren“, präzisiert er und führt die Besucher in die Produktionsräume der Nduja. Heute werden die Fleischstücke per Hand zurecht geschnitten. Im kleinen Familienbetrieb dauert das einen Tag. Am folgenden Tag wird das Fleisch durch große Fleischwolfe gedreht und mit den Peperoncini und dem Salz gemischt. Dann ist Ruhen angesagt – 12 Stunden – bevor die Masse am dritten Tag in Naturdarm gefüllt wird. Anschließend geht es für fünf Tage in die Räucher- und dann in die Reifekammer.
Im Schnitt bleiben die kleineren Varianten der Nduja 90 bis 120 Tage in der Reifekammer. Die größeren Varianten 120 oder bis zu 190 Tage. „Mit der Nduja ist es wie mit dem Parmigiano Reggiano“, erklärt Giuseppe Porcelli, „je älter sie ist, desto besser wird sie“. Will heißen je länger sich während des Reifungsprozesses Edelschimmel auf dem Naturdarm bilden kann, desto delikater wird die Nduja. „Eine Nduja kann fünf bis sechs Jahre reifen“, ist Giuseppe Porcelli überzeugt. Den Beweis kann er zwar noch nicht antreten, da er und sein Bruder mit der Nduja-Produktion erst vor vier Jahren gestartet sind. Dass die Theorie nicht falsch ist, das kann er allerdings schon beweisen. Stolz führt Giuseppe Porcelli die Besucher zu einem besonderen – besonders alten – Prachtexemplar einer Nduja. Die hängt fast unscheinbar an einem Reifungsgestell war unter den ersten Ndujas die bei Livasì in Spilinga hergestellt wurden, als Giuseppe und sein Bruder vor vier Jahren mit der Produktion starteten. Noch möchte Giuseppe diese lange gereifte Nduja nicht anschneiden. Er ist sich sicher, dass sie noch schmeckt. Oder genauer gesagt, dass sich ihr Geschmack erst mit den Jahren so richtig entfaltet. Den Tast-Test kann er sich trotzdem nicht verkneifen und drückt mit seinem Daumen die Nduja etwas ein. „Test bestanden“, heißt es dann. Auch nach vier Jahren Reifung ist die Nduja noch weich, was dem hohen Fettanteil in dieser scharfen kalabresischen Spezialität geschuldet ist.
Probiert werden, kann die Nduja bei Giuseppe Porcelli natürlich auch. Die ehemalige Räucherkammer des Familienbetriebs wurde zum Degustationsraum umgestaltet. Dort kann gekostet und gekauft werden. Ein bisschen Marketing muss sein, schließlich definieren Giuseppe Porcelli und sein Bruder sich noch als Start-up-Unternehmen mit Zukunftsplänen. In den nächsten Jahren möchten die beiden ihre geschäftlichen Aktivitäten erweitern und neben Herstellung und Verkostung traditionell kalabresischer Salamispezialitäten auch Übernachtungsmöglichkeiten anbieten.