“Der Traum vom Kaffee“, unter diesem Titel erschien Anfang Oktober im Amalthea Verlag die deutsche Ausgabe des in Italien bereits anlässlich der EXPO 2015 auf den Markt gekommenen Buches „Il sogno del caffè“. Autor: Andrea Illy, Vorsitzender des Kaffeeimperiums illycaffè und Enkel des Firmengründers Francesco Illy. Inhalt: Eine, mittels persönlicher Erinnerungen, unterhaltsam erzählte Firmen- und Familiengeschichte, ergänzt um spannend-sachliche Informationen rund um den Kaffee und dessen weltweite Vermarktung sowie reflektierende Abschweifungen in Philosophie und Geschichte. Ein Buch über die Realisierung des Traums von Firmengründer Francesco Illy, den besten Kaffee der Welt anzubieten und über das Credo seines Enkels Andrea Illy, dass in einer Tasse Kaffee eine ganze Welt liege.
„Ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem ich meinen ersten Kaffee getrunken habe.“ Mit einer ganz persönlichen Erinnerung an seinen ersten Espresso beginnt Andrea Illy sein Buch darüber, was der Kaffee aus seiner Familie und seine Familie aus dem Kaffee gemacht hat. Noch heute könne er nachempfinden, wie er damals als Vierjähriger, in der Küche seiner Mutter, beim ersten Schluck aus der Espressotasse „spürte, wie Tausende mir unbekannte Aromen von weit entfernten, exotischen Orten durch meinen Mund tanzten, und ich fragte mich, ob ich sie jemals besuchen würde. […] Zum ersten Mal hatte ich den verschwommenen und zugleich intensiven Eindruck, dass Kaffee möglicherweise mehr sei als ein kochend heißes, köstliches Getränk aus fernen Ländern. Es war […] wie der Traum von einer perfekten Welt. Seitdem versuche ich, diesen Traum in und durch Kaffee zu verwirklichen.“ Rund 50 Jahre später ist der damals Vierjährige studierter Chemiker und Vorsitzender des Familienunternehmens illycaffè. Wenn er in seinem Buch vom Kaffee spricht, meint er den Espresso – oder wie ihn die Italiener nennen caffè. Aus der Sicht des Chemikers beschrieben, ist er „zugleich eine Lösung, eine Emulsion eine Suspension und eine Gärung. […] ein kleines Wunder aus Chemie und Physik.“ Soll der Espresso perfekt sein, erklärt Illy seinen Lesern, „müssen ein Dutzend Variablen perfekt kalibriert sein, darunter die Menge an Kaffee, die in den Filter kommt, und sogar der Filter selbst, das Tampern, das mahlen, der Härtegrad, die Qualität, die Temperatur und der Druck des Wassers sowie die Extraktionszeit.“
Und natürlich fundamental wichtig: Der Kaffee an sich. In seinem Buch schildert Andrea Illy nicht nur, wie der Kaffee nach Europa kam, wie er zuerst nur in Apotheken verkauft und schließlich in Kaffeehäusern angeboten wurde; er beschreibt auch, wie seine Familie sich immer mehr dem Kaffee verschrieb. Von den Anfängen, als sich Großvater Francesco nach dem ersten Weltkrieg in Triest niederließ und dort, wo der Haupthafen für den Kaffeehandel des Mittelmeers liegt, zuerst mit Gewürzen, Schokolade und schließlich Kaffee handelte, bis hin zur Gründung der Firma Illy-Hausbrandt. Das war 1933 und Francesco Illy hatte noch einen Partner. Gemeinsam wurden Schokolade und Kaffee hergestellt und verkauft. Eine Geschäftsverbindung, die ab den 1960er-Jahren auseinander driftete und schließlich in einer Trennung mündete. „Francesco Illy wollte all seine Ressourcen dafür einsetzen, seinen Traum zu verwirklichen. Dieser kam von einer scheinbar einfachen Idee, die sich als revolutionär herausstellte: den besten Kaffee der Welt anzubieten.“, schreibt Andrea Illy. Ein Traum, der – so wird mit jeder Seite, die der Leser des Buches sich weiter in die Welt des Kaffees hinein blättert – ebenso komplex ist, wie das, was Francesco Illy und seine Nachfahren daraus gemacht haben. So schreibt Andrea Illy von der Illetta, der ersten Espressomaschine mit automatischer Wasserdosierung, die Francesco Illy sich 1935 patentieren ließ oder vom Überdruckverfahren, „eine Verpackungsmethode, in der Stickstoff verwendet wird, um den Verpackungsinhalt bei einem Druck zu versiegeln, der über dem Luftdruck liegt.“ Ein Verfahren, das große Mengen an Kaffeearomen einschließen würde, die sonst durch die Effekte der Vergasung verlorengingen. Das Patent dafür sicherte sich Francesco Illy bereits 1932.
Weitere Stichworte in Sachen komplexe Illy-Kaffeewelt, die im Buch beschrieben und erklärt werden, sind beispielsweise: das Röstverfahren, die verschiedenen Kaffeesorten und ihre Herkunftsländer oder die von illycaffè 1999 in Neapel gegründete Università del Caffè. Seit 2002 hat sie ihren Sitz in Triest und nicht nur Baristas können dort ihr Handwerk lernen. Gemeinsam mit der Ernesto-Illy-Stiftung bietet die Università del Caffè das einzige Masterstudium in Kaffeeökonomie und Kaffeewissenschaft. Überhaupt, so wird dem Leser des „Der Traum vom Kaffee“ schnell deutlich, für das im Buch beschriebene Unternehmen ist Kaffee weit mehr, als ein aromatisches Getränk in einer Tasse. Was dieses Mehr genau umfasst, vermittelt der Autor, wenn er beispielsweise über den Ernesto-Illy-Preis schreibt, mit dem das Unternehmen „das Engagement der Kaffeebauern für Qualität und Nachhaltigkeit anerkennen und die Wichtigkeit, mit ihnen Hand in Hand zu arbeiten,“ betonen möchte. Oder wenn er im Kapitel „Wird Schönheit die Welt retten?“ vom künstlerischen Engagement von illycaffè berichtet, das zu einer von zeitgenössischen Künstlern gestalteten Sammlung von Kaffeetassen führte oder wenn er sich mit den Fragen befasst: „Was ist die Aufgabe der Kunst? Was ist Kunst und was nicht? Sind die Parameter der Schönheit objektiv oder subjektiv?“ Das vierte und letzte Kapitel des Buches ist dem Geschmack von Glück gewidmet und beginnt wieder mit einer ganz persönlichen Kindheitserinnerung. Daran, wie ein gelbes Fahrrad einen Traum wahrwerden ließ. Der Schilderung dieser Erinnerung schließen sich Betrachtungen darüber an, was Glück ist, was glücklich macht und wie Kaffee und Glück zusammenhängen.
„Der Traum vom Kaffee“ von Andrea Illy ist ein Buch über die Geschichte eines Familienunternehmens, in dem die Firmengeschichte unterhaltsam und ohne tröge Aneinanderreihung von Jahreszahlen erzählt wird. Abgerundet durch informative Einschübe rund um den Kaffee und die Kaffeewirtschaft sowie durch teils philosophische Reflektionen, zu denen der Weg zur Realisierung des Traumes, den besten Kaffee der Welt anzubieten, den Autor geführt haben. Ein Buch, das den Leser glauben lässt, dass der Autor wirklich der reflektierende, verantwortungsvolle, teils visionär-träumerische Unternehmer ist, als der er sich präsentiert und es sich bei besagtem Buch nicht lediglich um das Marketinginstrument eines cleveren Geschäftsmanns handelt. Noch ist der Traum vom Kaffee nicht ausgeträumt, wie auf den letzten Buchseiten deutlich wird, wenn Andrea Illy davon träumt, dass der Kaffee von heute der Wein von morgen sein soll. Wie man beim Wein längst nicht mehr nur zwischen rot und weiß unterscheide, so solle auch der Kaffee „durch extreme Produktdifferenzierung und ausführliche Erforschung der Kulturen, die er repräsentiert ‚einzigartig‘ werden. Seine Einzigartigkeit wird mit einer wachsenden Anzahl von Liebhabern verbunden sein: keinen Kaffeeliebhabern, sondern Experten, die die feinen Unterschiede zwischen den Produkten erkennen können.“
Der Traum vom Kaffee I Andrea Illy I Amalthea Verlag I ISBN 978-3-99050-106-1 I € 25,00