Das Tiramisu gehört zu Italien wie die Pizza oder die Pasta. Davon sind nicht nur italienverliebte Feinschmecker aus Deutschland überzeugt. Auch die Italiener selbst sind sich einig: Il tiramisù è un prodotto italiano – das Tiramisu ist ein italienisches Erzeugnis. Doch dann hört es auch schon auf mit der Einigkeit. Wer sich die Erfindung des weit über die Landesgrenzen hinaus beliebten Desserts auf die Fahnen schreiben darf, darüber wird in Italien bereits seit längerem gestritten. Wir sagen die Einwohner der Region Venezien. Wir sagen die Bewohner des Friaul. Und die haben jetzt von offizieller Stelle Recht bekommen. Eine Tatsache, die der Präsident der Region Venezien, Luca Zaia, so nicht akzeptieren möchte.
Das Tiramisu wurde kürzlich in das Verzeichnis der „Prodotti agroalimentari tradizionali“ – kurz Pat – aufgenommen.- Als ein Dessert, das aus dem Friaul stammt. – Dieses Verzeichnis traditioneller Agrarprodukte und Nahrungsmittel wird seit dem Jahr 2000 vom italienischen Landwirtschaftsministerium, in Zusammenarbeit mit den einzelnen Regionen, erstellt und aktualisiert. Aufgelistet werden Produkte, deren Herstellung über einen Zeitraum von mindestens 25 Jahren auf gleichbleibend traditionellen, eng mit einer bestimmten Region verknüpften, Methoden beruht. In das Verzeichnis aufgenommen zu werden, bedeute nicht nur eine große kulturelle Wertschätzung und die Anerkennung eines Erzeugnisses und dessen Namens als etwas Typisches, das eng mit der Geschichte einer Region verbunden ist, sondern könne auch zur Folge haben, dass Pat-Erzeugnisse in Folge auch mit noch bedeutenderen europäischen Gütesiegeln wie DOP oder IGP ausgezeichnet würden, erklärte Cristiano Shaurli, Dezernent für landwirtschaftliche Ressourcen der Region Friaul-Julisch Venezien.
Dass das Tiramisu im Pat-Verzeichnis unter den traditionellen Erzeugnissen aus dem Friaul aufgelistet sei, schließe allerdings nicht aus, dass auch andere Regionen es in ihre Liste ihrer traditionellen Produkte einfügen könnten, sofern sie den grundsätzlichen Anforderungen an Pat-Erzeugnisse entsprächen, betont das Landwirtschaftsministerium. Außerdem sei anzumerken, dass seit Einführung des Pat-Verzeichnisses bis zur siebzehnten Aktualisierung in diesem Jahr noch keine italienische Region je die Aufnahme des Tiramisu in dieses Verzeichnis gefordert hätte.
Der Streit zwischen Venezien und dem Friaul darum, wer denn nun das Dessert auf Mascarpone- und Kaffee-Basis für sich beanspruchen darf, dauert bereits eine ganze Weil und scheint sich nach der letzten Aktualisierung des Pat-Verzeichnisses weiter aufzuheizen. Erstmals so richtig in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt, waren die Querelen um die regionale Herkunft des Tiramisu durch die Veröffentlichung eines Buches von Clara und Gigi Padovani rund um das Tiramisu, die Gorizia und Udine als die Wiege der cremigen Süßspeise angaben und nicht, wie von vielen lieber gesehen, Treviso. Zuletzt hatte dann die Region Friaul die Einschreibung des Tiramisus als typisches Erzeugnis aus dem Friaul in das Pat-Verzeichnis offiziell und erfolgreich angefragt. „Ein wichtiger Schritt, der uns mit großer Zufriedenheit erfüllt“, wie Cristiano Shaurli, Dezernent für landwirtschaftliche Ressourcen der Region Friaul-Julisch Venezien, erklärte. Besonders weil das Tiramisu gleich in zwei, historisch mit dem Friaul verbundenen Versionen, ins Pat-Verzeichnis aufgenommen worden wäre: In der gemeinhin bekannten, cremigen Version aus dem Karn sowie als halbgefrorene Variante aus der Gegend um Triest. Laut derer, die das Friaul als Geburtsregion des Tiramisu favorisieren, sei die mittlerweile weltweit beliebte Süßspeise in der cremigen Version in den 50er Jahren im Restaurant Roma in der im Friaul gelegenen Stadt Tolmezzo kreiert worden. Die halbgefrorene Variante stamme ebenfalls aus den 50er Jahren und sei erstmals als „Coppa Vetturino Tírime Su“ in der Trattoria Vetturino di Pieris in der Provinz von Gorizia serviert worden.
“Das verschlägt mir buchstäblich den Atem”, echauffiert sich nun Luca Zaia, Präsident der Region Venezien und kritisiert die Einschreibung des Tiramisus als typisches Erzeugnis aus dem Friaul in das Pat-Verzeichnis. „Ich hoffe, das zuständige Ministerium hat diese Eintragung in gutem Glauben und basierend auf unzureichenden Informationen vorgenommen, ansonsten ist es an der Zeit, sich ernsthaft Sorgen zu machen“, so Zaia, der gewillt ist die Eintragung anzufechten, sollten die Interessen Veneziens nicht berücksichtig werden. Würde der Ursprung des Tiramisu tatsächlich dem Friaul zugesprochen, würde dies über 5 Millionen Bewohner Veneziens – vor allem aber Treviso – vor den Kopf stoßen, so Zaia weiter. Schließlich sei das Tiramisu nicht nur ein typisches traditionelles Erzeugnis aus Venezien, sondern hätte sich dort in Zusammenhang mit dem Tiramisu eine ganze Industrie entwickelt. Für Zaia ein eindeutiger Beweis dafür, dass das Tiramisu eigentlich aus Venezien stammt.“ Das Tiramisu muss aus der Pat-Liste des Friaul wieder entfernt werden“, lautet daher seine Forderung.
Der Eintragung des Tiramisus als für das Friaul typisches Erzeugnis in das Pat-Verzeichnis liegt eine Anfrage einer Delegation der „Accademia Italiana della Cucina“ in Udine zu Grunde. Die hat über den Abgeordneten Massimo Percotto, den Antrag gestellt und sich dabei darauf berufen: „Die historische Wahrheit über den Ursprung eines weltweit als Symbol für Italien geschätzten Desserts, das ein ständiger Hinweis auf unsere Kultur und unsere gastronomische Virtuosität ist, endlich öffentlich zu machen“. Die Sachverhaltsermittlung, so berichtete die italienische Zeitung la Repubblica jüngst, sei durch die „Ersa“ durchgeführt worden. Eine zur Region Friaul zugehörige Behörde, die für die Entwicklung im ländlichen Raum zuständig ist und die die Einhaltung der für die Eintragung in das Pat-Verzeichnis notwendigen Voraussetzungen überprüft habe. „Wir sind in der Vergangenheit nicht immer ausreichenden für unsere Interessen und unsere Fähigkeiten eingetreten“, wird der Dezernent für landwirtschaftliche Ressourcen der Region Friaul-Julisch Venezien Cristiano Shaurli von la Repubblica zitiert. Dies sei im Falle des Tiramisus anders gewesen. Da sei man auf Grundlage einer historischen Recherche für die Interessen des Friaul eingestanden und sei daher entsprechend stolz, dass die Verbindung zwischen dem Tiramisu und den Friaul endlich bestätigt worden sei. Denn diese habe einen Mehrwert für das önogastronomische Prestige der gesamten Region.