Weinprobe im Hirnscanner

Wie halten Sie es mit dem Wein? Im Italienurlaub zum Beispiel: Gehen Sie zum Erzeuger um die Ecke und lassen sich dort einen sogenannten „vino sfuso“ – also einen offenen Wein – direkt aus dem Fass in mitgebrachte Flaschen füllen, weil Ihnen genau dieser Wein so köstlich schmeckt? Oder ziehen Sie den angesagten Edelwinzer und dessen prämierte Flaschenweine vor? Für die müssen sie zwar deutlich mehr bezahlen, dafür sind sie Ihrer Meinung nach aber umso schmackhafter. Getreu dem Motto: Je teurer der Wein, desto besser schmeckt er.

Wenn Ihnen teurer Wein grundsätzlich besser schmeckt als ein günstiger Tropfen, dann könnte das daran liegen, dass das Belohnungszentrum in Ihrem Gehirn Ihnen einen Streich spielt. Laut den im Fachjournal „Scientific Reports“ veröffentlichten Ergebnissen einer gemeinsamen Studie haben Wissenschaftler der INSEAD Business School und der Universität Bonn nämlich herausgefunden, inwiefern Preisschilder die Wahrnehmung beeinflussen.

Bei einer Weinprobe im Dienste der Wissenschaft, durchgeführt im Kernspintomograf, schmeckte den Studienteilnehmern derselbe Wein immer dann besser, wenn er mit einem höheren Preis ausgezeichnet war. Insbesondere das Frontalhirn und das ventrale Striatum seien daran beteiligt, dass das Belohnungszentrum im Gehirn eine positive Geschmacksentwicklung verstärke, so die für die Studie Verantwortlichen.

Kostet Wein – oder auch Schokolade – mehr, steigert das die Erwartungen dahingehende, dass das teurere Lebensmittel – im konkreten Fall der teurere Wein – zwangsläufig auch besser schmecken muss. Soweit nichts Neues. „Allerdings war bislang unklar, wie im Gehirn die Preisinformation letztlich dazu führt, dass teurer Wein auch als besser schmeckend wahrgenommen wird“, so Prof. Dr. Bernd Weber, Geschäftsführender Direktor des Center for Economics and Neuroscience der Universität Bonn. „Marketing-Placebo-Effekt“ wird dieses Phänomen genannt, das dafür sorgt, dass identische Produkte unterschiedlich wahrgenommen werden, nur weil sie unterschiedlich viel kosten. Wie unterschiedliche Preise im Gehirn in entsprechende Geschmackserfahrungen umgesetzt werden und daher ein und derselbe Wein plötzlich besser schmeckt, nur weil er mehr kostet, dem gingen die Wissenschaftler in ihrer Studie auf den Grund.

Fünfzehn Männer und fünfzehn Frauen, in einem Durchschnittsalter von 30 Jahren wurden zur Weinprobe gebeten; Liegend im Kernspintomografen, damit während der Weinprobe die Aktivitäten der einzelnen Gehirnregionen aufgezeichnet werden konnten. Bevor die Probanden mit der eigentlichen Weinprobe beginnen durften, wurde zunächst der Preis des jeweils zu verkostenden Weines eingeblendet. Anschließend wurde ihnen rund ein Milliliter Wein, über einen Schlauch, direkt in Mund gegeben. Auf einer neunteiligen Skala sollten sie nun bestimmen, wie gut ihnen der Wein geschmeckt hat. Bevor ein weiterer, anders ausgepreister Wein verkostet werden durfte, wurde den Versuchsteilnehmern der Mund mit einer neutralen Flüssigkeit gespült. Was die Weinverkoster im Dienste der Wissenschaft nicht wussten: Sie probierten immer ein und denselben Wein, lediglich die dem Wein zugeordneten Preise variierten. Um die Studie möglichst realistisch zu gestalten, bekamen die Teilnehmer zu Beginn ein fiktives Guthaben von 45 Euro. Von diesem wurde dann in manchen Versuchsabläufen der Preis für die verkosteten Weine abgezogen: Wahlweise drei, sechs oder achtzehn Euro wurden als Flaschenpreis angegeben. Der tatsächliche Marktwert des zu Versuchszwecken ausgewählten französischen Rotweins lag bei rund 12 Euro. Exorbitant hohe Weinpreise wurden während des Versuchs bewusst vermieden, denn „der Marketing-Placebo-Effekt hat seine Grenzen: Wenn zum Beispiel eine Plörre für 100 Euro angeboten würde, bliebe er absehbar aus“, so Prof Weber als Erklärung für das Preislimit.

Wie von den die Studie durchführenden Wissenschaftlern nicht anders erwartet, schmeckte den Probanden der vermeintlich teurere Wein besser als der scheinbar günstigere. „Dabei spielte es keine Rolle, ob die Testpersonen den Wein auch bezahlen mussten, oder ob sie ihn umsonst bekamen“, so Prof. Dr. Hilke Plassmann von der INSEAD Business School. Identischer Wein schmecke besser, wenn eine preisbedingt höhere Erwartung an ihn geknüpft sei, so Plassmann weiter. Eine Aussage, die durch die Aufzeichnungen im Kernspintomografen belegt wurden. Des Weiteren zeigte die Weinprobe im Kernspintomografen, dass bei den höherpreisigen Weinen vor allem das Frontalhirn sowie das ventrale Striatum, ein Teil der zum Großhirn gehörenden Basalganglien, stärker als die übrigen Hirnregionen aktiviert wurden. Während das Frontalhirn insbesondere am Preisvergleich und der davon abhängigen Erwartung beteiligt zu sein scheint, ist das ventrale Striatum Teil des Belohnungs- und Motivationssystems. „Das Belohnungssystem wird bei höheren Preisen deutlich stärker aktiviert und verstärkt auf diese Weise offenbar das Geschmackserlebnis“, so Prof. Dr. Bernd Weber von der Uni Bonn.

De facto spiele das Belohnungs- und Motivationssystem uns einen Streich und gaukle uns vor, dass besser schmeckt war teurer bezahlt werden muss, fasst Dr. Liane Schmidt von der INSEAD Business School die Ergebnisse der Weinprobe im Dienste der Wissenschaft zusammen. Eben jener sogenannte „Marketing-Placebo-Effekt“ also. Was spannend bleibt, ist die Frage ob und wie man das Belohnungssystem trainieren kann, damit es für diesen „Marketing-Placebo-Effekt“ unempfänglicher wird. „Möglicherweise gelingt dies, indem die eigene Körperwahrnehmung – wie zum Beispiel der Geschmack – stärker geschult wird“, schlägt Prof. Weber vor.

Ein guter Anfang dafür könnte der nächste Italienurlaub sein. Versuchen Sie dort doch einfach einmal, die Preise der Weine außen vor zu lassen und ganz auf ihren Geschmack zu vertrauen. Und wenn Ihnen der günstige „vino sfuso“ besser schmeckt als ein teurerer Tropfen, dann akzeptieren Sie, dass dem vielleicht einfach so ist. Denn nicht immer ist teurer gleich besser.

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