Wer schon in Mantua war (die Stadt war unter der Herrschaft der Gonzaga, einer der prunkvollsten Hofsitze Europas), um Palazzo Te, den von Giuliano Romano entworfen Sommersitz, zu besichtigen, oder in Cremona, die Heimatstadt von Antonio Stradivari, dem berühmtesten Geigenbauer aller Zeiten, der weiß wahrscheinlich schon was mit „Mostarda“ gemeint ist. Für alle anderen ist dieser Post gedacht. Nur, bevor wir uns mit der Mostarda beschäftigen, muss über den „Bollito“ und dem „Bollito misto“ Näheres gesagt werden.
Anders als in Süditalien, ist die traditionelle norditalienische Küche fleischlastiger und herausfordernder. Das kann man schon beim „Bollito“, dem gekochten Suppen- bzw. Fleischtopf erkennen, ein Gericht, das zur besonders beliebten Hausmannskost in der Lombardei, dem Piemont und der Emilia Romagna gehört.
Bei gekochtem Fleisch fällt dem einen oder anderen vielleicht der sehr feine Tafelspitz ein, der auch auf Wiens exklusivsten Speisekarten steht und bei dem sogar die Beilage, die Kartoffeln so nobel serviert werden, dass sie an Austern erinnern.
Nur, der lombardische Bollito hat nichts mit dem Wiener Tafelspitz zu tun. Der Bollito oder genauer, der Bollito misto, ist nämlich ein besonders deftiges Gericht, das einen wahren Fleischliebhaber nur beim Gedanken daran ins Schwärmen versetzt. Zu den berühmten Bollito-Liebhabern gehörte einst auch der aus dem Piemont stammende Graf Camillo Benso di Cavour, einer der wichtigsten Staatsmänner Italiens, der im 19. Jahrhundert unter dem Savoyen König Viktor Emanuel II maßgeblich zur Einigung des Italienischen Königreichs beitrug.
Im Gran Bollito misto ist der Tafelspitz nur eine von mehreren Zutaten, die von Region zu Region, manchmal sogar schon von Ort zu Ort verschieden sind. Im Allgemeinen besteht ein Bollito misto aus Rindfleisch, Kalbfleisch, Zunge, Huhn, einer besonderen Wurst, „Cotechino“ genannt, und einem Schweinsfuß. Auch ein Kalbskopf kann manchmal hinzukommen. Und natürlich noch Wurzelgemüse. Alles Zutaten, jetzt einmal abgesehen vom Gemüse, die sich nicht wirklich für eine Diät oder eine Schonkost eignen.
Und jetzt also zur Mostarda, zu dieser schon für das Auge unwiderstehlichen Beilage. Zu diesen Obststücken, die so glänzen als hätte man sie lackiert; die so süß und gleichzeitig scharf sind als hätte man Honig und Kren im Mund. Die Mostarda ist eine Zier fürs Auge und eine Herausforderung für die Geschmacksknospen.
Mostarda ist eine süß-scharfe Beilage aus kandierten Orangen, Kirschen, Aprikosen, Feigen, Mandarinen, Trauben und anderen Früchten, die in eine Mischung aus Läuterzucker und Senföl eingelegt wurden. Doch genauso wie beim Bollito Misto, ist auch Mostarda nicht gleich Mostarda. Wobei die lombardischen Städte Cremona und Mantova auf eine besonders lange Tradition zurückgreifen können. In Cremona werden die Früchte im Ganzen kandiert, in Mantua wird das Obst klein geschnitten und nicht kandiert. Außerdem findet man (nur) hier die Quittenmostarda, die eigentliche Mostarda-Spezialität der Stadt.