Wenn aus einer Liebeserklärung ein Großunternehmen wird
von Maren Recken
Eine Füllung aus Haselnuss-Creme, garniert mit einer ganzen Haselnuss, überzogen mit dunkler Schokolade, eingewickelt in silbernes Stanniolpapier, das mit blauen Sternen bedruckt ist und auf dem Bacio – Kuss – steht. Zwischen Verpackung und Praline versteckt, ein Zettelchen mit süßen Worten: Das ist eine Liebeserklärung all’italiana, die man sich auf der Zunge zergehen lassen muss.
Was am Valentinstag 1922 als schokoladig-süßer Liebesgruß an den Angebeteten Giovanni Buitoni gedacht war, machte Luisa Spagnoli zu einer erfolgreichen Unternehmerin und ihre Bacio genannte Praline zu einem Exportschlager.
1877 in Perugia in der Region Umbrien geboren, wuchs Luisa Spagnoli in einer Zeit auf, als Gleichberechtigung am Arbeitsmarkt und Frauen in erfolgreichen Führungspositionen noch als exotische Erscheinungen galten.
Heute gilt Luisa Spagnoli als treibende Kraft der Industrialisierung Umbriens, ja ganz Italiens und als Vorreiterin in Sachen Emanzipation. Die von ihr geschaffenen Unternehmen, Perugina, die mittlerweile zum Nestlé Konzern gehörende Schokoladenfabrikation, und das Modelabel Luisa Spagnoli, haben sich auch außerhalb Italiens einen Namen gemacht.
Umbrien und Perugia gedenken der Unternehmerin nicht nur zum Weltfrauentag am 8. März. Bereits im Februar gab es zahlreiche Vorträge zu Ehren Spagnolis. Der Fernsehsender RAI hat, ebenfalls im Februar, einen Zweiteiler über das Leben Luisa Spagnolis ausgestrahlt.
Luisa Spagnoli war eine Frau, die außerhalb der Normen ihrer Zeit lebte. Kaum über Zwanzigjährig heiratete sie Annibale Spagnoli mit dem sie zwei Söhne hatte und eine Drogerie betrieb. In dem kleinen Geschäft im Zentrum Perugias begann Luisa Spagnoli mit der Herstellung von Bonbons.
Mit Francesco Buitoni gründete das Ehepaar Spagnoli 1907 eine kleine Süßwarenfabrikation mit fünfzehn Angestellten, die Luisa Spagnoli gemeinsam mit ihren beiden Söhnen führte: La Perugina. Bereits wenige Jahre nach der Gründung hatte das Unternehmen über 100 Angestellte.
Anfang der 1920er Jahre zog sich der Ehemann Luisas aus dem Unternehmen zurück und Luisa begann eine Beziehung zu Giovanni Buitoni, dem vierzehn Jahre jüngeren Sohn ihres Kompagnons Francesco Buitoni. Eine Herzensangelegenheit, die Luisa Spagnoli wirtschaftlichen Erfolg bringen sollte.
Der als Valentinsgruß für den Angebeteten gedachte schokoladig-haselnussige Kuss mit dem Liebesbriefchen entwickelte sich zum Verkaufsschlager. Seiner Form wegen ursprünglich Faust – Cazzotto – genannt, wurde der Schokogruß zum Valentinstag bald schon in Bacio umgetauft. Der schokoladige Liebesgruß mit dem nun charmanteren Namen, eroberte die Herzen männlicher und weiblicher Pralinenfans. Getreu dem Motto: Liebe geht durch den Magen.
1928 setzte Luisa Spagnoli als Unternehmerin noch einen drauf und gründete eine Modefirma in der sie Strickkleidung herstellte. Das dazu verwendete Angora-Garn stammte von Kaninchen, die sie selbst in Perugia züchtete. Die Modemarke bekam ihren Namen: Luisa Spagnoli.
Luisa Spagnoli starb, nur 58jährig, 1935 in Paris an Krebs. Ihre Baci und ihre Mode lassen die Erinnerung an die erste Unternehmerin Italiens weiterleben. In unzähligen italienischen Bars stehen die Küsse der Spagnoli noch heute auf dem Tresen. Küsse, die schon so manchen in Versuchung geführt haben. Auch wenn die mit den Küssen verpackten Liebesworte mittlerweile am Fließband gedruckt werden und nicht mehr von der Unternehmerin persönlich geschrieben wurden.
Produziert werden die Baci nach wie vor in Perugia. Dort kann nicht nur die Produktion besichtigt werden. In Workshops zur Schokoladenherstellung können sich Liebhaber der süßen Verführung selbst als Chocolatiers versuchen. Im Perugina Museum gibt es wissenswertes rund um die Entstehung und Entwicklung des Schokoladenimperiums zu erfahren.
Luisa Spagnoli Mode gibt es mittlerweile weltweit in über 100 Filialen. Der Hauptsitz der Modefirma ist jedoch nach wie vor im Geburtsort der Unternehmensgründerin, in Perugia.