Der Pandoro und die Rettung einer Traditionsfirma aus Verona

Stellen Sie sich vor, eine der Lübecker Traditionslebkuchenfirmen steht vor dem Aus, weil man es nicht mehr schafft mit den Preisen der Supermärkte mitzuhalten. Es ist gut vorstellbar, dass man diese Nachricht nicht tatenlos zur Kenntnis nehmen würde.

Und tatenlos wollten weder die Arbeitnehmer noch die Italiener die Nachricht hinnehmen, die in Verona ansässige Traditionsmarke Melegatti stünde vor dem Aus, eben wegen der gnadenlosen Konkurrenz der Supermärkte. Immerhin ist Melegatti einer der ältesten „Pandoro“ Hersteller, und außerdem steht Weihnachten vor der Tür.

Jetzt ist eine kurze Erläuterung gefordert, bevor es mit der Melegatti Geschichte weitergeht. Norditalien hat zwei typische Weihnachtskuchen: den Panettone (über den an dieser Stelle schon berichtet wurde) und den Pandoro. Der erste ist ein Hefeteig mit Rosinen und kandierten Früchten, der zweite ein besonders luftiger kegelförmiger Kuchen ohne Früchte, dafür aber großzügig mit Puderzucker bedeckt. Der Panettone steht für Mailand, der Pandoro für Verona, der Stadt von Romeo und Julia. Und da Italien halt „das Land der Tausend Kirchtürme“ ist, man sich hier liebend gerne zu einem Lager zählt, gibt es demzufolge auch ein Pandoro-Lager und ein Panettone-Lager. Wobei, in diesem Fall, die Lager nicht unbedingt die geografische Herkunft der Verfechter wiederspiegeln, sondern vielmehr die Geschmacksorientierung. Wer also den Panettone liebt der sieht herablassend auf den Pandoro und viceversa.

Nun soll es aber mit dem Melegatti Pandoro aus sein. Das geht doch nicht, obwohl es natürlich auch etliche andere Pandoro Marken gibt. Aber Melegatti ist halt Melegatti und steht seit 1894 für den Pandoro schlechthin. Also haben die Arbeiter selber zu einer Rettungsaktion aufgerufen und sofort viel Unterstützung bekommen. Besonders aktiv zeigten sich die Studenten der Region Venetien, die Schulen und Unis abklapperten und Bestellungen entgegennahmen.

Auch auf den Sozialen Netzwerken warben viele und oft sehr kreativ für die Causa. Sogar mit einer Fotomontage in der ein Bär einen Melegatti Pandoro in der Pranke hält und mitteilt, zwar würde er Lachs allemal bevorzugen, um aber die 90 festangestellten Melegatti Arbeiter und die 220 Saisonarbeiter zu unterstützen, mache er gerne „eine Ausnahme“. Und auch prominente Politiker setzen sich für Melegatti ein, denn „Pandoro bedeutet Arbeit“.

Eigentlich schien die Aktion am Anfang auch wirklich erfolgreich zu sein. Nur in den letzten drei Wochen wurden 1,5 Millionen Pandori verkauft. Doch zu spät hatte man mit der Produktion begonnen. Wären doch die Gelder eines maltesischen Fonds früher gekommen! beklagt man jetzt. Fürs erste heißt es für die Arbeitnehmer jetzt in der Lohnausgleichkasse zu landen. Allesweitere wird sich zeigen.

Die italienischen Medien waren sich aber trotzdem über die positive Auswirkung dieser von unten gestarteten Aktion einig: Wenn die Politik nicht imstande ist (Traditions-)Unternehmen gegen globalisierte Dumpingpreise zu verteidigen, versucht man es halt selber. Man gewinnt zwar nicht immer, aber die Mühe ist es auf jeden Fall wert.

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