Era Ora – Gourmet Restaurant vs Camorra

Pietro Parisi ist ein international gepriesener Sternenkoch. Mit seinen 36 Jahren zählt er noch zu der jüngeren Generation, hat aber beruflich schon so manches erlebt und sich dazu auch noch ein ehrgeiziges und äußerst lobenswertes Ziel gesetzt.

Parisi kommt aus der süditalienischen Region Kampanien. Aufgewachsen ist er am Fuße des Vesuvs, wo einst der Boden besonders fruchtbar war. Mittlerweile ist die Gegend jedoch, und zwar weit über Italiens Grenzen hinaus, als „Terra dei Fuochi“ bekannt ist. Wortwörtlich bedeutet die Bezeichnung „Land der Feuer“. Hier hat nämlich die Camorra, wie die organisierte Kriminalität in dieser Region genannt wird, jahrelang und illegal, Tonnen von giftigem Müll aus Norditalien abgeladen und verbrannt.

Auch deswegen hatten ihn die Eltern, die von Beruf Bauern sind, gedrängt wegzugehen, in den Norden zu ziehen. Also zog er schon mit 14 Jahren nach Mailand um. Seine erste Ausbildung absolvierte er bei dem vor kurzen verstorbenen Gualtiero Marchesi, Italiens unbestrittener König unter den Spitzenköchen. Zwei Jahre später zog er in die Schweiz, und wiederum 2 Jahre später wurde er Schüler des weltberühmten Franzosen Alain Ducasse in Paris. Zusammen mit Ducasse reiste er um die ganze Welt, bis ihn das Sieben-Sterne-Hotels Burj al Arab in Dubai als Chefkoch zu sich rief.

Doch so neugierig und weltoffen ein Italiener auch sein mag, irgendwann wird (fast) jeder von der Sehnsucht nach der Heimat übermannt. Und so kaum auch für Parisi der Moment, die Koffer zu packen und Weg nach Hause einzuschlagen.

2005 kaufte er also eine Pizzeria und verwandelte diese in ein Gourmet Restaurant. Eigentlich eine bizarre Idee, denn in dieser seit je her von der Camorra geplagte Gegend war so ein Restaurant das letzte was man benötigte. Parisi wusste jedoch was er machte, und genauso bewusst war ihm, dass ihn die Schergen der Camorra nicht einfach machen lassen, dass sie ihn mit Geldforderungen oder Gefälligkeiten anderer Art, unter Druck setzen würden. Seine Eltern hatten ihn ja auch deswegen weit weg geschickt, um ihn vor ihren Fängen zu schützen. Er war also gewarnt und auf alles gefasst.

Trotzdem, die Erinnerung an jenen Abend vor drei Jahren, als der Sohn eines lokalen Bosses, spät am Abend bei ihm im Restaurant aufkreuzte und Geld verlange, verfolgt ihn bis heute. Auch weil er und seine Frau an jenem Tag den dritten Geburtstag ihrer Tochter gefeiert hatten.

Parisi ließ sich aber nicht einschüchtern und dem Camorrista antwortete er, wenn er Geld brauche solle er arbeiten gehen. Gleich danach benachrichtigte er die Polizei über den Vorfall. Es blieb natürlich nicht bei diesem einen Mal. Die Camorra versuchte immer wieder ihn in die Knie zu zwingen. Bis jetzt jedoch erfolglos. Parisi machte das, was er schon beim ersten Mal gemacht hatte. Er zeigte sie immer wieder an. Und hielt stur an seinem Ziel fest: den Bewohnern der Terra dei Fuochi zu beweisen, dass es auch anders geht, dass man der Camorra di Stirne bieten und sich den Lebensunterhalt auch auf legale Weise verdienen kann. Wie das konkret geht macht er selber vor, er kauft nur lokale Produkte.

Sein erstes Restaurantl trägt den Namen „Era ora“, „War schon Zeit“. Für viele steht der Name dafür, dass auch für Parisi einst die Zeit gekommen war, die Heimreise anzutreten und sich hier wieder niederzulassen. Doch diese Auslegung erscheint, auch in Anbetracht der Einschüchterung die er erleben musste, vielleicht doch zu reduktiv. „Era ora“ könnte auch so ausgelegt werden: es war die Zeit gekommen, sich gegen die Kriminalität zu widersetzen.

Das verlangt eine große Portion Mut, denn die Camorra geht genauso brutal wie die Mafia mit ihren Gegnern um. Parisi hat sich aber nicht aufhalten lassen. Mittlerweile führt er, neben dem Gourmet Restaurant in „Palma Campania“, auch eine Bäckerei im Nachbarort, San Gennaro Vesuviano. Hier ist seine Großmutter geboren, und ihr hat er die „Panetteria Nannina“ gewidmet.

Heute beschäftigt er insgesamt 50 Arbeitnehmer (mitgezählt sind auch diejenigen, die in seinem Fischgeschäft, gegenüber der Panetteria Nannina arbeiten). Sein Traum ist es aus der „Terra dei Fuochi“ die „Terra dei Cuochi“ (das Land der Köche) zu machen und die Camorra für immer auszurotten. Zweiteres ist ihm noch nicht gelungen, doch für den Aufbau der Terra dei Cuochi hat er schon mal solide Grundsteine gelegt.

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