Die Rebellen des roten Golds

Italiens größte Tageszeitung veröffentlicht seit kurzem eine Beilage, die sich „Buone Notizie“, „Gute Nachrichten“ nennt und jeden Dienstag dem „Corriere della Sera“ beigefügt ist. Eine tolle Idee, wenn man an die Hiobsbotschaften denkt, die von den Medien alltäglich verbreitet werden.

Und so ist Buone Notizie fast schon eine Pflichtlektüre, will man mit ein wenig Zuversicht und guter Laune in den Tag starten. Die Beiträge befassen sich vorwiegend mit Solidarität und Lebensläufen die einst aus der Bahn geraten wieder die Kurve bekommen haben.

Vor ein paar Wochen war eine Geschichte dabei, die es sich allemal lohnt zu erzählen, denn sie befasst sich mit einer Plage die ganz Italien seit jeher betrifft.  Der Titel des Beitrags lautete folgendermaßen: „Wir, Rebellen des roten Golds“.

Die Plage nennt sich „Caporalato“ und sogar die ausländischen Medien berichten ab und zu darüber. Mit „Caporalato, ist die  sklavenmäßige Ausbeutung Arbeiter gemeint. Besonders verbreitet ist das Phänomen in der Landwirtschaft aber nicht nur. Die Betroffenen arbeiten für einen Hungerlohn an die 10-12 Stunden am Tag und leben oft in Teils menschenunwürdigen Unterkünften. Zu diesem Heer von Verzweifelten gehören meistens illegale Migranten und Italiener die Schwarzarbeit leisten. Die Gewerkschaft Flai Cgil hat unlängst eine Studie über „Agromafie e caporalato“ (Landwirtschaftsmafia und Caporalato) veröffentlicht, mit 80 aufgelisteten Landbezirken, wo „Caporalato“ Bedingungen herrschen, wobei in den meisten Fällen auch die Mafia die Hände mit im Spiel hat. Das Ertragsvolumen beträft an die 14-17 Milliarden Euro im Jahr, eine stattliche Summe auch wenn diese Tomaten am Wochenmarkt zu Spottpreisen verkauft werden.

Und jetzt zur „Buona Notizia“. Die Gute Nachricht ist, dass sich in den letzten zwei Jahrzehnten, besonders in Süditalien, örtliche Verbände gebildet oder zusammengetan haben, die gegen diese Ausbeutung kämpfen. Sie beackern verlassene, von den Gemeinden zur Verfügung gestellte, oder der Mafia konfiszierte Felder; verarbeiten und verkaufen die Produkte in Eigenregie.

Zu den bekanntesten Verbänden, die sich dem „Caporalato“ widersetzen gehören Diritti a Sud und Solidaria aus Apulien, eine Region die von der Plage besonders betroffen ist, und Fuori dal Ghetto in der angrenzenden Region Basilicata.

Daher also die Bezeichnung „Rebellen“. „Rotes Gold“ steht wiederum für die Tomaten, eines der wichtigsten Landwirtschaftsprodukte nicht nur Süditaliens. Voriges Jahr wurden insgesamt 2 Millionen Tonnen (im Wert von 1,5 Milliarden Euro) ins Ausland verkauft  und  170.000 importiert (113 Millionen Euro).

Die Mitglieder von „Diritti a Sud“ (was ein Wortspiel ist denn es bedeutet sowohl, „Geradeaus nach Süden“, sowie „Rechte im Süden“) und „Solidaria“ haben 2014 das Projekt „SfruttaZero“, NullAusnützung, in Leben gerufen. Später ist auch „Fuori dal Ghetto“ („’Raus aus dem Getto) hinzugestoßen. Gestartet ist das Projekt in Nardò, nicht weit von der Barockstadt Lecce, wo ein Migrantengetto herangewachsen war.

„SfruttaZero“ fand gleich einen positiven Anklang. „2016, also im ersten Jahr, haben wir fast 2.500 Tomatengläser hergestellt. Voriges Jahr waren es schon 20.000. Und dieses Jahr werden die Felder in Nardò und Bari sicher noch mehr hergeben“ meint Rosa Vaglio, Sprecherin des Verbands Diritti a Sud, zuversichtlich. Verkaufen tun sich diese Produkte bestens über die Gas (Gruppi acquisto solidale) Solidaritätseinkaufsgruppen und über das Fair Trade Netz Fuori-Mercato.

Finanziell unterstützt wurde und wird das Projekt von der Waldensischen Kirche und der Banca Etica. Zwar waren es die unwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen unter denen die Migranten zu leiden hatten die den Anstoß zu „SfruttaZero“ gegeben haben, helfen soll das Projekt aber allen, also natürlich auch Italienern die arbeitslos sind oder genauso ausgenützt werden wie ihre Migranten-Kollegen.  „Unter den Italienern haben wir welche mit Universitätsabschluss und trotzdem arbeitslos sind“ erzählt Vaglio im Interview mit „BuoneNotizie“ weiter.

Sowohl auf den Feldern, wie auch bei der Verarbeitung wird auf chemische Produkte strickt verzichtet. Natürlich kostet ein Glas „SfruttaZero“ Tomaten mehr als die im Supermarkt, dafür weiß man aber, dass jeder an der Produktionskette beteiligte Arbeiter gerecht entlohnt wurde. Und wer diese Menschen sind, kann auf den Produktetiketten mancher Flaschen auch sehen.

Im Moment sind sie noch eine kleine Truppe: fünf Festangestellte, davon drei Italiener, ein Sudanese und ein Tunesier. Während der Erntezeit kamen voriges Jahr noch weitere 21 Saisonarbeiter hinzu, dieses Jahr könnten es etwas mehr sein. Trotzdem noch viel zu wenig, wenn man bedenkt, dass es an die halbe Million Menschen sind die hierzulande unter sklavenähnlichen Bedingungen arbeiten

 

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