Das schwarze Gold von Modena

Es ist ein ganz edler Tropfen, der sich da träge seinen Weg aus dem Fläschchen bahnt. Dickflüssig und dunkelbraun ist dieser Aceto Balsamico di Modena Tradizionale. Eine Delikatesse aus der norditalienischen Region Emilia Romagna. Die Duftnote und der Geschmack aromatisch, süßsäuerlich. Die Herzogsfamilie der Estensi, die 1578 von Ferrara nach Modena gezogen war, war von dieser Köstlichkeit so hingerissen, dass sie diesem Essig das Attribut „Balsamico“ hinzufügte. Ein Viertel Jahrhundert liegt hinter dieser Delikatesse, die gerade auf den kleinen weißen Keramiklöffel rinnt. Ganze 25 Jahre während derer dieser Essig gehütet und sorgsam hantiert wurde. So sorgsam und behutsam, als würde es sich um ein Familienmitglied handeln. Ein Vergleich der genaugenommen nicht einmal so skurril ist . Denn beinahe ein jeder in Modena und Umgebung besitzt eine Balsamico Essig Batterie, die schon seit mehreren Generationen vererbt wurde. So eine Batterie, aus 5 – 6 Fässer bestehend, kann getrost bis zu hundert Jahren ihren Dienst leisten.

modena

Die Geschichte des Balsamico führt weit zurück, bis hin ins Alte Rom. Dank der Griechen hatten die Römer den Wein entdeckt und machten sich alsbald selber an den Weinanbau. Dass daraus am Anfang mehr Essig als Prädikatsweine wurden, nahm man gelassen hin. Mit Wasser verdünnt, wurde der Essig zu einem erfrischenden Getränk und bei Bedarf auch eine Darm desinfizierende Medizin. Irgendwann kam dann jemand auf die Idee den Most zu kochen. Und siehe dar er schmeckte süß, konnte also auch als Süßstoff dienen.

Wieder ein paar Jahrzehnte später kam es zu ein paar weiteren glücklichen Fügungen die letztendlich zur Geburt des „Oro nero di Modena“, Schwarzen Gold von Modena führten. Man vermutet, dass ein Mostfass aus Versehen, oder weil der Mann im Krieg war, jahrelang vergessen auf einer Dachkammer stand. Und als man das Fass wieder fand, war zwar der Großteil des Mosts verdunstet, der Rest schmeckte jedoch umso köstlicher.

Hinzu kommt, dass mittlerweile das Alte Rom zu einer Millionenstadt gewachsen war in derWein zu den beliebtesten Getränken gehörte. Die römische Verwaltung beschloss also den mutigsten unter den Zenturios, Grundstücke in der norditalienischen Po Ebene zu schenkte, vorausgesetzt sie würden Weinanbau betreiben. Da aber die Weine dieser Gegend – Lambrusco, Trebbiano und Lancellotta – keinen hohen Alkoholgehalt haben und schnell zu Essig werden, kochte man sie zu Most. Bis heute werden für den Aceto Balsamico di Modena Tradizionale ausschließlich diese Reben verwendet.

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Darauf, dass der Aceto Balsamico di Modena Tradizionale nach ursprünglichem Rezept hergestellt wird, achtet der Verband „Consorteria dell’Aceto Balsamico“, dessen Sitz sich in Spilamberto, unweit von Modena, in der Villa Fabriani befindet. In dieser Villa, in der heute auch das Museum des Aceto Balsamico zu besichtigen ist, lebte einst der Rechtsanwalt Pio Fabriani. Dessen Kollege Francesco Aggazzotti schickte ihm 1862 einen Brief von allergrößtem Wert, denn damit wurde zum ersten Mal das mittlerweile Jahrhunderte alte Ur-Rezept des „Balsamico“ aufgeschrieben. Damit ein Aceto Balsamico di Modena auch das Prädikat „Tradizionale“ verdient muss man folgendes beachten: es darf nur gekochter Most verwendet werden (also kein Essig wie in der industriellen Herstellung); das Holz der Fässer muss aus bester Qualität sein; das Essiglager, die „Acetaia, wird im Dachgeschoss eingerichtet. Die Fässer sind vorwiegend aus Kastanien-, Wacholder- und Eschenholz. Eine herkömmliche Batterie kostet um die 1000 Euro, für eine Renzi-Batterie, also vom Meister der hiesigen Fassbinder, zahlt man bis zu 6000 Euro.

AcetaiaSpilamberto1

Auf dem Dachboden des Museums, kann man ein Essiglager, „Acetaia“ , sehen. Dass die Batterie im Dachgeschoss untergebracht wird, hat eine einfache Erklärung. Die Hitze im Sommer fördert die Bildung von Essigsäurebakterien, die Kälte im Winter die Klärung“. Einmal im Jahr werden vom kleinsten Fass, an die 2 Liter abgeschöpft. Das Fass selber wird dann mit dem nächststehenden wieder bis zum Rand aufgefüllt, ein Prozedere das sich über alle Fässer erstreckt, bis hin zum größten, in das wieder frischgekochter Most kommt. Aus einem Zentner Trauben erhält man am Ende 2 Liter Aceto Balsamico di Modena Tradizionale. Und das erklärt wiederum warum der Aceto Balsamico Tradizionale um etliches teurer als so mancher Prädikatswein.

Foto2 Balsamico

Die meisten Modenesi stellen den Balsamico zum Eigengebrauch her. Hie und da verschenken sie ein Fläschchen, aber nur an ganz enge Verwandten oder Freunde. Wer ihn jedoch zum Verkauf herstellt und den Gütesiegel „Aceto Balsamico di Modena Tradizionale“ samt Ursprungsbezeichnung DOP haben will, der muss sich nicht nur streng an Aggazzottis Ur-Rezept halten, sondern sein Produkt auch von einer Expertenkommission der Consorteria prüfen lassen. Der 12 Jährige Balsamico wird nach bestandener Prüfung in ein 100 ml Fläschchen mit rotem Stöpsel gefüllt. Der 25 Jährige, also der „extra vecchio“, kommt in ein eigens vom italienischen Stardesigner Giorgetto Giugiaro gezeichnetes Fläschchen. Der Preis beträgt 50 Euro beziehungsweise 80 Euro.

Foto3Balsamico

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