Mailands bekanntestes Szenenviertel Navigli hat ein neues Lokal, das es sich auf jedem Fall lohnt zu besuchen. Wobei „Lokal“ die falsche Bezeichnung ist, denn die Cantina Urbana (urbane Kellerei) ist keine Bar, kein Restaurant, sondern durch und durch eine Weinkellerei, untergebracht inmitten der Stadt in einer ehemaligen Fabrik. Wer den Naviglio Pavese entlangfährt, beziehungsweise Via Ascanio Sforza, erkennt die Cantina Urbana, wegen der in Regenbogenfarben bemalten Fassade (ein Werk des spanischen Künstlers Elian) schon lange vor Hausnummer 87.
Eigentlich hört es sich ein wenig verrückt an, in Mailand einen Weinkeller aufzumachen, sich die Trauben hierher bringen zu lassen und die ganze Prozedur der Weinherstellung inmitten einem Stadtviertel mit regem Verkehr durchzuführen.
Zwar stimmt es, das Mailand in den letzten Jahren immer grüner geworden ist – unlängst wurde die Biblioteca degli alberi (die Bibliothek der Bäume), mitten in der Stadt, im Wolkenkratzerviertel Porta Nuova eingeweiht – doch anders als in Wien zum Beispiel, wo die Weinberge praktisch vor der Haustür liegen, befindet sich das Oltrepò Pavese, das größte Weinanbaugebiet der Lombardei, 60 Kilometer südlich von der Stadt.
Gerade diese Herausforderung war es aber, die den 39-jährigen, aus Verona stammenden Michele Rimpici besonders gereizt hat, nachdem er ein ähnliches Projekt in New York gesehen hatte. Und da er selber schon seit 15 Jahren in der Weinbranche tätig ist, beschloss er die Mailänder Design- und Modemetropole mit einem Weinkeller zu beglücken.
Und jetzt ist es soweit, seine Cantina Urbana lädt seit Mitte Oktober zur Weinverkostung ein. Um die Herstellung der Weine kümmern sich Riccardo und Denis. „Nur die Trauben kaufen wir“ erzählen sie, „alles andere wird hier gemacht“. Wie der Besucher selber auch sehen kann, denn die ehemalige Fabrik ist nicht nur Kellerei sondern auch ein sehr interessant eingerichtetes Verkostungslokal.
Im hinteren Teil sieht man große Stahltanks, Holzfässer und Amphoren aus Ton (eigentlich eine Besonderheit, denn nicht jede Kellerei besitzt sie). „Diese Amphoren werden uns aus der Chianti Region Impruneta geliefert“ erzählt Riccardo. Davor Tische, nicht viele jedoch; auf einer Seite, der Tresen über dem weitere Stahltanks hängen, aus denen sich der Kunde auch selber Wein in die Flasche einfüllen kann.
Die Trauben kommen aus ganz Italien, Sizilien, Apulien, Toskana, Veneto und natürlich aus dem nahegelegenen Gebiet des Oltrepò Pavese. Viel Auswahl gibt es im Moment noch nicht, denn ein guter Wein braucht seine Zeit. Der Tranatt und der Meneghino sind aber schon so weit. Beim Tranatt (Trani bedeutet im Mailänder Dialekt Gasthaus) handelt es sich um einen vollmundigen Rotwein, zusammengestellt aus süd- und norditalienischen Traubensorten. Etwas geschmeidiger und frischer ist der rote Meneghino (Mailänder). Besonders gespannt wartet man jetzt aber auf den Frühling, wenn der Naviglio Rosso und der Naviglio Bianco bereit sein werden.
Zur traditionellen Weinverkostung werden Taralli und Oliven serviert. Wer stattdessen nur ein Glas Wein mit einer Kleinigkeit genießen möchte, der hat auch eine kleine aber dafür sehr feine Häppchenauswahl: es gibt Salami- und Schinkenspezialitäten, Caciocavallo-Käse aus Apulien, gegrillte Melanzani, Brot, Butter und Anchovis aus der toskanischen Insel Elba, und so manche Köstlichkeit mehr.
Es ist aber nicht nur die ungewöhnliche Location, die diese Kellerei auszeichnet. Natürlich kann man wie in jedem anderen Weinkeller auch hier den Wein kaufen. Aber, und das ist eine weitere Besonderheit der Cantina Urbana – neben den schon gefüllten Flaschen kann man sich den Wein auch selber abfüllen in einer von zu Hause mitgenommenen Flasche oder auch in einen Kanister. (www.cantinaurbana.it– Verkostungstouren nur bei Voranmeldung eventi@cantinaurbana.it)