Der Reis gehört zu Norditalien wie die Pizza zu Neapel und die Weißwurst zu Bayern. Normalerweise verbindet man Reisgerichte mit Asien. In Italien ist ja di Pasta zu Hause. Stimmt, aber eben nicht ganz. Die ersten Dokumente die über den Reis in Italien, und zwar in der Lombardei, berichten, stammen aus dem Jahr 1336. Damals verwendete man ihn jedoch noch als Gewürz. Der eigentliche Anbau begann um das Jahr 1475, neben der Lombardei auch in den angrenzenden Regionen Piemont und Veneto. Allein in diesen drei Regionen befinden sich 90 Prozent der insgesamt 220 Tausend Hektar Reisfelder Italiens, es ist die größte mit Reis bebaute Fläche, daher auch die Bezeichnung, „Risaia d’Europa“, Europas Reiskammer.
Der systematische Reisanbau begann unter der Herrschaft der Adelsfamilien Sforza und Gonzaga. Wasser war ja Dank der Navigli (Kanäle die bis Anfang des 20. Jahrhunderts auch Mailand durchquerten, heute sind es nur mehr drei) genug da. Und ein Ausflug mit dem Rad entlang der Reisfelder in der Lomellina, eine Landschaft im Südwesten der Lombardei, zwischen den Städten Pavia, Vercelli und Novara und den Flüssen Po, Ticino und Sesia, hat besonders im Frühling, wenn die Felder unter Wasser stehen und sich der Himmel in ihnen spiegelt, einen ganz besonderen Reiz.
Wenngleich alle Regionen mit Reisspezialitäten aufwarten – Sizilien hat die Arancini di riso (panierte Reisbälle mit Fleischsoße und Käse in der Mitte), Neapel di Supplì di riso (Reiskroketten mit Tomatensoße und Mozzarella) die Tiella alla Barese (Phalmuscheln bedeckt Reis und Kartoffeln) ist in der apulischen Landeshauptstadt Bari zu Hause – zählen die Risotti zu den bekanntesten Gerichten der drei oben genannten norditalienischen Regionen.
Dank der Qualität und der Vielfalt der Reissorten die hier angebaut werden (Carnaroli, Arborio und Vialone Nano, um nur die wichtigsten zu nennen), unterscheiden sich die Risotti, nicht nur von Region zu Region, sondern von Ort zu Ort.
Besonders in der Lombardei. Der berühmteste unter den Risotti, ist der für Mailand typische „Risotto alla milanese“. Leicht angeröstet wird er immer wieder mit Suppe aufgegossen, bis er gar ist. Hinzu kommen Knochenmark, Butter, ganz wichtig Safran und am Ende geriebener Parmesan. In Monza, die an Mailand grenzende drittgrößten Stadt der Lombardei, in deren Dom sich die Eiserne Krone befindet, mit der Italiens Könige vom Mittelalter bis in die Napoleonische Zeit gekrönt wurden, ist das Rezept schon wieder anders. Der „Risotto monzese“ wird mit der Luganega (eine lokale Wurstspezialität) angerichtet, während in Brescia der „Risotto alla pitocca“ wiederum Hühnerfleisch vorsieht. Apropos, das Wort „pitocchi“, bedeutet Flöhe, und weist auf ein schlichtes Bauerngericht hin. Wer stattdessen auf einem der Lombardischen Seen Urlaub macht, der sollte „Risotto con il persico“, also mit Barsch bestellen. Und dann ist da noch ein anderes typisch Mailänder Gericht, „Risotto con ossobuco“, mit Klabshaxe und in Weißwein geschmort. Was alle Risotti gemeinsam haben ist, dass sie aufgegossen werden, gleich ob nur mit klarer Suppe oder auch einem Schuss Weißwein. Wichtig ist es, und das ist die wahre Kunst, dass sie am Ende cremig und doch kernig bleiben.